Modul 4 – Hagel, Klimawandel und Risikoentwicklung

Die Klimaszenarien der Schweiz gehen für extreme Niederschlagsereignisse bis zum Ende des 21. Jahrhunderts von einer deutlichen Zunahme der Niederschlagsmenge aus (NCCS, 2018). So sollen Eintagesniederschläge mit 100-jährlicher Wiederkehrperiode in einem Szenario mit starker Erwärmung um 20 Prozent intensiver werden. Messungen und Beobachtungen von extremen Niederschlagsereignissen zeigen in den vergangenen Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Niederschlagsmenge – resp. keine Messstationen von MeteoSchweiz verzeichnete eine deutliche Abnahme (Abb. 1).

Abb.1: Trends des stärksten Eintagesniederschlags im Jahr. Quelle: NCCS, 2021
Die Entstehung von Hagel ist zwar eng verbunden mit Extremniederschlägen, jedoch sind hier auch andere Faktoren relevant und Trends sind weniger klar erkennbar und vorauszusagen.

Wie könnte sich das Risiko von Hagelschäden in der Schweiz zukünftig verändern?

Beurteilen Sie anhand Ihres Vorwissens zu Hagel und Klimawandel, wie sich die Faktoren für Hagelereignisse und Hagelrisiken in Zukunft verändern könnten (vgl. Module 1 und 2 sowie das Kapitel zur «Entstehung von Hagel»).

Abb. 2: Faktoren für die Entstehung von Hagelereignissen und -risiken. Darstellung: Tamara Baumann, nach Raupach et al. 2021)

Lösungsvorschlag

Faktoren des Klimawandels, welche Hagelereignisse in Zukunft beeinflussen, sind:
  • Luftfeuchtigkeit: Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern. Mit der erhöhten Luftfeuchtigkeit werden intensivere und häufigere Aufwinde und Starkniederschläge erwartet und der Wassergehalt in den Gewitterwolken ist höher, was insgesamt zu grösseren Hagelkörner führen könnte.
  • 0 °C-Grenze: In einem wärmeren Klima wird die Schmelzzone von Hagelkörnern in der Atmosphäre mächtiger. Dadurch werden Hagelkörner beim Hinunterfallen vermehrt schmelzen und insbesondere kleine Hagelkörner werden vermehrt als Regen am Boden ankommen. Dadurch gibt es weniger Hagelstürme mit kleinen Hagelkörnern.
  • Fazit: Möglicherweise werden Hagelereignisse weniger häufig, es werden jedoch Hagelereignisse mit grösseren Hagelkörnern erwartet.
    • Weiterführende Informationen siehe unter «Hagelstürme in einem sich erwärmenden Klima» im nächsten Kapitel.
  • Hinweis: Beobachtete und mit Modellen simulierte Trends sind regional unterschiedlich und aufgrund der limitierten Datenverfügbarkeit teilweise wenig aussagekräftig.
    Verfügbare Datenreihen aus Messung und Beobachtung von Hagel sind zu kurz, um bisherige Trends klar zu erkennen. Ausserdem ist Hagel ein kleinräumiges Phänomen und daher auch schwierig mit Klimamodellen abzubilden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die zukünftige Entwicklung der zur Hagelentstehung relevanten Faktoren zu untersuchen.
Faktoren, welche das Risiko für Hagelschäden in Zukunft beeinflussen, sind:
  • Das Risiko von Hagel berechnet sich wie folgt: Risiko = Gefahrenpotenzial x Schadenpotenzial x Verletzlichkeit (vgl. Modul 3 «Hagelrisiko und Schutz vor Hagel»)
  • Gefahrenpotenzial: Tendenziell werden Hagelereignisse weniger häufig, jedoch kann mit grösseren Hagelkörnern gerechnet werden (vgl. oben). Das Gefahrenpotenzial wird damit höher, da grössere Hagelkörner zu grösseren Schäden führen.
    • Weiterführende Informationen siehe unter «Hagelstürme in einem sich erwärmenden Klima » im nächsten Kapitel.
  • Schadenpotenzial: Insbesondere durch die erwartete Bevölkerungszunahme kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl von Häusern, Fahrzeugen und anderen Schutzgütern auch zunehmen. Entsprechend wird das Schadenpotenzial zunehmen (Baccini et al., 2007):
    • zunehmende Siedlungsflächen (Flächen mit Schadenpotenzial nehmen zu) (vgl. Abb. 4)
    • teurere (und verletzlichere) Infrastruktur (z. B. infolge Solarenergieausbaus auf den Dächern) sowie intensivere Landwirtschaft (höheres Schadenpotenzial je Fläche)
    • Zunahme des Sachwerts von Gütern
    • Weiterführende Informationen siehe unter «Einfluss der Bevölkerungsentwicklung auf das Risiko» unten
  • Verletzlichkeit: Aussagen, wie stark Gebäude, Infrastruktur und andere Schutzgüter zukünftig von Hagel betroffen sein werden, sind mit grossen Unklarheiten behaftet. Retrospektiv betrachtet, haben neue Bauweisen (z. B. grosse Fensteröffnungen mit aussenliegenden Lamellenstoren, Verzicht auf Vordächer) und neue Baumaterialien (z. B. Kunststoffe und weiche Materialien an der Gebäudehülle) tendenziell zu einer Erhöhung der Verletzlichkeit geführt. Deshalb ist es essenziell, dass bei Neu- und Umbauten heute hagelsichere Bauteile verwendet und wo möglich auch technische Schutzmassnahmen berücksichtigt werden, um einer weiteren Zunahme des Risikos entgegenzuwirken.
  • Fazit: Das Hagelrisiko und die zu erwartenden Schadensummen werden in Zukunft durch das erhöhte Schadenpotenzial zunehmen, obschon die Verletzlichkeit durch technische Innovationen wieder abnehmen könnte. Für das Gefahrenpotenzial können einzig grobe Tendenzen angenommen werden. Die durch den Menschen direkt beeinflussbaren Elemente des Schadenpotenzials und der Verletzlichkeit sind für die Prävention vor Hagel also zentral.

Hintergründe zum Lösungsvorschlag

Hagelstürme in einem sich erwärmenden Klima

Hagelstürme sind kurze und kleinräumige Ereignisse, was sie für Klimaprognosen zu einer Herausforderung macht. Einerseits gibt es nur wenige und kurze Messreihen, welche Hagelereignisse flächendeckend und über eine genügend lange homogene Zeitperiode (mindestens 30 Jahre) darstellen (vgl. Modul 1 und Modul 2). Dadurch ist es schwer, vergangene Trends abzuschätzen und daraus Schlüsse über die zukünftige Entwicklung zu ziehen. Andererseits haben Klimamodelle, mit welchen mögliche zukünftige Trends modelliert werden, meist eine zu grobe räumliche und zeitliche Auflösung, um solch kleinräumige Prozesse zu modellieren. Die folgende Diskussion ist deshalb mit grossen Unsicherheiten behaftet.

Ein Ansatz, um dennoch Schlüsse über mögliche Trends im Hagelvorkommen abzuschätzen, ist die Analyse der zur Entstehung von Hagel relevanten Prozesse und deren Entwicklung in einem wärmeren Klima. Das aktuelle Wissen zum Einfluss des Klimawandels auf Hagelstürme fassten Dr. Timothy Raupach und Co-AutorInnen in einer wissenschaftlichen Publikation zusammen (Raupach et al., 2021).

Darin werden die zwei massgeblichen Faktoren, welche Hagelstürme beeinflussen und vom Klimawandel betroffen sind, identifiziert: die potenzielle Instabilität (labile Luftschichtung) und die Höhe der 0 °C-Grenze (Abb. 3; siehe auch, «Hailstorms in a warming climate» Global Water Forum, 2021)).

Anhand des aktuellen Wissens über die zur Entstehung von Hagel relevanten Prozesse und Klimawandel könnte folgendes ein mögliches Szenario für das zukünftige Auftreten von Hagel sein (nach Raupach et al., 2021):

Eine wärmere Atmosphäre enthält mehr Feuchtigkeit, und es wird allgemein erwartet, dass die potenzielle Instabilität (die Energiequelle eines Gewitters) in einer wärmeren und feuchteren Atmosphäre zunimmt. Bei einer Zunahme von Feuchtigkeit und Instabilität werden eine Zunahme der Gewitterhäufigkeit sowie stärkere Aufwinde erwartet (vgl. Abb. 3). Die stärkeren Aufwinde und der höhere Wassergehalt der Luftmassen in Gewittern können grössere Hagelkörner hervorbringen.

Ferner ist in einer wärmeren Atmosphäre der Schmelzpunkt, sprich die 0 °C-Grenze höher (vgl. Abb. 3), sodass sich die Distanz, in der Hagel durch die wärmere Luft fällt und schmilzt, erhöht. Bei einer höheren 0 °C-Grenze könnten kleinere Hagelkörner vollständig schmelzen, was die Häufigkeit von Hagelereignissen verringert. Grössere Hagelkörner schmelzen weniger schnell, wodurch die durchschnittliche Grösse der Hagelkörner, die den Boden erreichen, zunimmt.

Mit Fokus auf die Veränderungen der Instabilität und der 0 °C-Grenze wird allgemein erwartet, dass der Klimawandel die Häufigkeit von Hagelstürmen verringern könnte, aber die Hagelkorngrössen zunehmen und damit zu einer höheren Intensität führen könnte.

Eine Analyse der beobachteten und modellierten Hageltrends zeigt jedoch, dass die Realität komplexer ist und die Hageltrends je nach Ort stark variieren. Je nach Region wurden global unterschiedliche Trends bezüglich Hagelhäufigkeit und Intensität beobachtet. In Europa wurden tendenziell eine Zunahme in West- und Zentral-Europa und in der Schweiz beobachtet, wohingegen im Süden und Osten Europas eher eine Abnahme zu verzeichnen ist. Modellierungen von zukünftigen Trends weisen auf eine Zunahme von Wetterbedingungen, welche die Entstehung von Hagel fördern, sowie der Wahrscheinlichkeit von grossen Hagelkörnern hin. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht alle Studien dieselben Trends vorhersagen und die Ergebnisse mit grossen Unsicherheiten behaftet sind.  

Siehe auch:

Einfluss der Bevölkerungsentwicklung auf das Risiko

Nicht nur die Naturgefahr wird sich in den kommenden Jahrzehnten verändern, sondern auch die anderen Einflussfaktoren auf das Risiko. Selbst bei einem unveränderten Gefahrenpotenzial durch Hagel wird sich das Gesamtrisiko von Hagel zukünftig verändern. Am klarsten einzuschätzen ist hierbei die erwartete Zunahme des Schadenpotenzials.

Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz prognostizieren eine Einwohneranzahl von 10,4 Millionen bis 2050. Allein durch dieses Bevölkerungswachstum ergibt sich eine Zunahme des Schadenpotenzials (BFS, 2021). Die entsprechende Siedlungsentwicklung ergibt sowohl eine Verdichtung der Siedlungsfläche, sprich eine Zunahme der Sachwerte innerhalb einer Region, als auch eine Zunahme der Siedlungsflächen und somit die Flächen mit erhöhtem Schadenpotenzial (Baccini et al., 2007) (vgl. Abb. 4). Ein weiterer Faktor ist die zu erwartende Wertsteigerung von Objekten und Materialen. Durch die Zunahme von Schutzgütern und deren Wert kann insgesamt eine grosse Zunahme des Schadenpotenzials und somit des Hagelrisikos erwartet werden.

Abb. 4: Siedlungsentwicklung in Brig. Luftaufnahmen von 1958 und 2021. Quelle: Swisstopo

Siehe auch:

Risikobeurteilung heute und morgen

Die in der Forschung beobachteten und simulierten Trends zu Hagelereignissen sind regional unterschiedlich und aufgrund limitierter Datenverfügbarkeit teilweise noch wenig aussagekräftig. Für die Schweiz sind Trends in der Häufigkeit von Hagelereignissen nur schwer vorherzusagen. Klarer scheint jedoch, dass mit dem Klimawandel intensive Hagelereignisse mit grösseren Hagelkörnern tendenziell zunehmen können.

Wegen der grossen Unsicherheiten ist die Entwicklung von Massnahmen zur Verminderung von Hagelschäden herausfordernd. Es gilt daher, Massnahmen zukunftsorientiert nach dem Vorsorgeprinzip umzusetzen und gleichzeitig flexibel zu bleiben für unvorhergesehene Veränderungen. Dies können einerseits Massnahmen der Anpassung an veränderte Hagelsituationen sein und andererseits Massnahmen für die Minderung des Klimawandels und dessen Einfluss auf Hagelereignisse.

Welche Massnahmen können zukunftsorientiert Hagelschäden in der Schweiz vermindern und gleichzeitig mit unsicheren Prognosen flexibel umgehen?

  1. Verorten Sie im Model «Integrales Klimarisiko-Management» IKM (Abb. 5) sämtliche Aspekte, welche bei Hagelereignissen und -schäden in der Schweiz relevant sind. Entwickeln Sie auf dieser Basis ein zukunftsorientiertes Massnahme-Setting zur Verminderung von Hagelschäden, das den klimabezogenen und sozioökonomischen Wandel einbezieht sowie mit unsicheren Prognosen und unvorhergesehenen Veränderungen flexibel umgehen kann.
  2. Überprüfen Sie Ihre entwickelten Massnahmen zur Verminderung von Hagelschäden möglichst konkret am Beispiel Ihrer Gemeinde und ergänzen und passen Sie Ihre Zusammenstellung allenfalls an.
Abb. 5: Integrales Klimarisiko-Management IKM (Probst und Gubler 2019)

Im Modell «Integrales Klimarisiko-Management» (IKM) (Abb. 5) zeigt der grüne Bereich den bestehenden Gestaltungsspielraum für eine klimaverträgliche Entwicklung in einem Lebensraum auf. Hierzu müssen – von einem Monitoring ausgehend – sinnvolle Anpassungs- und Minderungsmassnahmen auf allen Umsetzungsebenen realisiert werden. Das Klimarisiko-Management ist dann integral, wenn es

  • alle Bereiche des natürlichen Klimasystems (äusserer blauer Ring) und der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse (innerer roter Bereich) berücksichtigt,
  • die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung – Umwelt (äusserer blauer Ring), Gesellschaft und Wirtschaft (innerer roter Bereich) – gleichberechtigt einbezieht,
  • Strategien und Massnahmen für eine klimaverträgliche Zukunft entwickelt (hellgrüner Ring) und dabei von einem Monitoring (Messungen) klimabedingter und sozio-ökonomischer Veränderungen ausgeht sowie dieses bei der Umsetzung und Überprüfung miteinbezieht und
  • bei der Planung und Aushandlung von Massnahmen verschiedene Anspruchsgruppen beteiligt, um so Zielkonflikte zu bestimmen, Synergien zu nutzen und eine integrierte Entwicklung hin zu einer klimaverträglichen Zukunft umzusetzen (dunkelgrüner Ring).

Lösungsvorschlag

Lösungsvorschlag. Aspekte von Hagelereignissen und Hagelschäden im Integralen Klimarisiko-Management IKM (Quelle: Probst und Gubler 2019)
Abb. 6: Lösungsvorschlag. Aspekte von Hagelereignissen und Hagelschäden im Integralen Klimarisiko-Management IKM (Probst und Gubler 2019)
Ergänzung zu Umsetzungsebenen:
  • Individuum: Schutz in einem Gebäude oder einem Unterstand suchen, Fahrzeug und Gegenstände in Unterstand oder unter Hagelschutzdecke, Gebäudestoren hochziehen etc.
  • Gesellschaft lokale und regionaler Ebene: Verwendung von hagelgeprüften Materialien, regelmässige Kontrolle und Wartung von Materialien, lokale Agenda 21 auf Gemeindeebene
  • Gesellschaft nationale Ebene: Wetterprognose und Hagelwarnung, Förderung erneuerbarer Energien durch den Bund (Energiestrategie 2050), CO2-Abgabe (Lenkungsabgabe)
  • Gesellschaft internationale Ebene: Klimaabkommen von Paris
Siehe auch:

Tipps für ein integrales Klimarisiko-Management auf Gemeindeebene

Monitoring

Das Messen und Beobachten von Hagel wird durch MeteoSchweiz auf Bundesebene geleitet. Gemeinden können jedoch:

Massnahmen der Minderung

Massnahmen der Anpassung

Schutzmassnahmen zur Verminderung des Hagelrisikos finden Sie im Modul 3 – Hagelrisiko und Schutz vor Hagel.

Hintergründe zum Lösungsvorschlag

Vorhersage von Hagel – Nowcasting

Um die Bevölkerung besser vor Hagel und anderen Wettergefahren warnen zu können, setzt MeteoSchweiz mehrere Nowcasting-Systeme ein. Nowcasting sind Systeme, welche «eine räumlich und zeitlich hochaufgelöste Vorhersage der Wetterentwicklung der nächsten Minuten bis maximal 6 Stunden» berechnen (MeteoSchweiz, 2020). Diese basieren nebst dem von MeteoSchweiz verwendeten Wettermodell hauptsächlich auf Satelliten- und Radardaten, beziehen aber auch Stations- und Blitzmessungen mit ein.

Das Nowcasting von Gewittern und Hagel ermöglicht es, die zu erwartende Position der Gewitter über die nächsten Stunden zu berechnen und kurzfristige Wetterwarnungen zu erstellen, welche von MeteoSchweiz via der MeteoSchweiz-App für Smartphones aber auch über das Naturgefahrenportal des Bundes veröffentlicht werden.

Siehe auch:

Gefahrenkarten und Normierung

Um die langfristige Vorsorge betreffend Hagel sicherzustellen, wurden Gefahrenkarten entwickelt, um abzuschätzen wie die Hagelgefahr im jetzigen Klima aussieht (siehe Modul 2). Basierend auf den Gefahrenkarten werden Normierungen entwickelt die beim Bau von neuen Gebäuden durch Hauseigentümer*innen und Architekt*innen berücksichtigt werden sollten.

Die für Hagel relevante Norm SIA 261/1 ist aktuell noch basierend auf einer älteren Hagelkarte für ein 50-jährliches Hagelereignis. Anhand der neuen Hagelgefährdungskarten des Projekts «Hagelklima Schweiz» ist die allgemeine Empfehlung für das Schutzziel Hagelwiderstand HW3 (3 cm Hagelkorndurchmesser) bereits ab einer Wiederkehrperiode von 20 Jahren relevant. In stark gefährdeten Regionen wird ein höheres Schutzziel empfohlen.

Siehe auch: 

Klimaszenarien – Unsicherheiten und Vorsorgeprinzip

Ziel von Klimaszenarien ist es, mithilfe von Klimamodellen und anhand von Annahmen zum zukünftigen Ausstoss von Treibhausgasen den zukünftigen Stand des Klimas – global oder lokal in der Schweiz – abzuschätzen.

Hierbei sprechen wir von Szenarien in der Mehrzahl, denn eine genau Vorhersage zum Stand des Klimas in 50 oder 100 Jahren ist unmöglich. Nur über verschiedene Szenarien zur möglichen Entwicklung der Bevölkerung und dem Ausstoss von Treibhausgasen kann ein breites Feld von möglichen zukünftigen Klimabedingungen abgedeckt werden.

Aber nicht nur das fehlende Wissen über die Zukunft führt zu Unsicherheiten, sondern auch Informationen zur Vergangenheit und dem aktuellen Stand des Klimas. Dies sind nur einige der Faktoren, welche bei der Entwicklung von Klimaszenarien zu Unsicherheiten führen können:

  • Prozessverständnis: Damit Prozesse in einem Klimamodell korrekt abgebildet werden können, wird ein hohes Prozessverständnis vorausgesetzt. Beispielweise ist der Entstehungsprozess von Hagel zwar weitgehend erforscht, aber es gibt nach wie vor Wissenslücken, wenn es z. B. darum geht, warum in einigen Regionen häufiger Hagel auftritt als in anderen.
  • Modellunsicherheiten: Auch in relativ hoch aufgelösten regionalen Wetter- und Klimamodellen können kleinräumige Prozesse, wie die Konvektion in Gewittern und Hagelbildung nicht direkt abgebildet werden. Diese Prozesse müssen aufgrund von empirischen Daten vereinfacht im Modell beschrieben werden.
  • Datengrundlage: Wichtig bei der Entwicklung von Klimaszenarien ist auch die Kenntnis über vergangene Trends. Dafür sind lange Messreihen über mindestens 30 Jahre nötig. Solche Datengrundlagen sind aber nicht für alle Wetter-Variablen vorhanden. In der Schweiz haben wir eine genügend gute Messreihe von Hagel via Radar ab 2002. Weiter zurück ist die Datenverfügbarkeit lückenhaft und unsicher.
  • Variabilität: In Klima-Szenarien wird in der Regel das durchschnittliche Wetter an einem Ort beschrieben. Jedoch unterliegt das Wetter an einem Ort jeweils starken Schwankungen. So können Schwankungen lokal auch grösser sein als der erwartete Trend über mehrere Jahrzehnte. Auch Variabilität von Hagel kann lokal von Jahr zu Jahr sehr gross sein.

Mit dem Verständnis solcher Unsicherheiten bezüglich Klimaszenarien kommen Ungewissheiten bezüglich des aktuellen Handelns im privaten und auch politisch. Ein wichtiges Prinzip der Gefahren- und Risikovorsorge trotz Ungewissheit ist das Vorsorgeprinzip. Es wurde von der UN 1992 in der Agenda 21 wie folgt definiert:

«Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht als Entschuldigung dafür dienen, Massnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Massnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen.»

Das Vorsorgeprinzip zielt darauf ab, mögliche zukünftige Schäden zu verhindern, indem vorbeugend gehandelt wird trotz fehlender Gewissheit über Ausmass und Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Schäden.

Siehe auch:

Quellen

Baccini, P., Baumgartner, F., Lichtensteiger, T., Michaeli, M., &Thalmann, E. (2007). Urbane Schweiz. In Klimaänderung und die Schweiz 2050: erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft (pp. 123-136). OcCC; ProClim.

Bundesamt für Statistik (2021). Zukünftige Entwicklung. Szenarien zur Entwicklung der Haushalte 2020-2050. URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/zukuenftige-entwicklung.html, eingesehen: 18.01.2023.

MeteoSchweiz (2020). Nowcasting. https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/mess-und-prognosesysteme/warn-und-prognosesysteme/nowcasting.html. Stand: 05.02.2020. Eingesehen am: 07.11.2022.

NCCS (Hrsg.) (2018). CH2018 – Klimaszenarien für die Schweiz. National Centre for Climate Services, Zürich. 24 S. ISBN-Nummer 978-3-9525031-0-2.

Probst, M., & Gubler, M. (2019). Klimawandel und Klimapolitik. Lernmedium für die Sekundarstufe II und Informationen für Lehrpersonen. Bern: éducation21

Raupach T.H., Martius, O., Allen, J.T., Kunz, M., Lasher-Trapp, S., Mohr, S., Rasmussen, K.L., Trapp, R.J., & Zhang, Q. (2021). The effects of climate change on hailstorms. Nat Rev Earth Environ 2: 213–226. https://doi.org/10.1038/s43017-020-00133-9.