Verletzlichkeitsfunktionen spielen bei der Modellierung von Hochwasserschäden eine zentrale Rolle. Anhand von Experteneinschätzungen hat das Mobiliar Lab eine neue, räumlich unabhängige Verletzlichkeitsfunktion entwickelt, sie mit bestehenden Funktionen verglichen und in einem Hochwasserschadenmodell für die Aare getestet.
Für eine Modellierung von Hochwasserschäden, wie sie im Rahmen des Risikomanagements durchgeführt wird, ist die verwendete Verletzlichkeitsfunktion absolut zentral. Der Grund: Sie weist den modellierten überschwemmten Objekten direkt eine Schadenhöhe in Abhängigkeit ihres Werts zu. Um solche Funktionen herzuleiten, existieren heute verschiedene Ansätze.
Das Mobiliar Lab hat nun eine weitere Methode entwickelt: In einem ersten Schritt wurde eine neue Verletzlichkeitsfunktion für Gebäude ermittelt. In einem zweiten Schritt wurde sie anhand einer Schadenmodellierung im Einzugsgebiet der Aare oberhalb von Bern getestet. Dabei wurden auch Modellläufe mit anderen Verletzlichkeitsfunktionen durchgeführt und miteinander verglichen.
Die neue Funktion basiert auf Experteneinschätzungen anhand von gezielten Stichproben repräsentativer Gebäude, die auf Basis der vorliegenden Hochwassermodellierungen und der regionalen Gebäudecharakteristika vorgenommen wurden. Dieser Ansatz bietet den Vorteil, dass er auch auf Regionen mit kaum verfügbaren Daten übertragbar ist. Die neue Funktion wurde mit folgenden bestehenden Funktionen verglichen: einem Ensemble von Verletzlichkeitsfunktionen aus der Literatur, einer regionsspezifischen Verletzlichkeitsfunktion, die mit Schadendaten von Versicherungen kalibriert wurde, sowie mit einer Verletzlichkeitsfunktion, die im schweizerischen Hochwasserrisikomanagement häufig verwendet wird (EconoMe).
Der Vergleich der Verletzlichkeitskurven lässt sich so zusammenfassen: Ältere Einfamilienhäuser weisen die höchste Verletzlichkeit auf, kommerziell genutzte und hochpreisige Gebäude die tiefste. Vor 1990 gebaute Gebäude werden generell als verletzlicher eingestuft als neuere. Im Vergleich zur EconoMe- Verletzlichkeitsfunktion ergab sich eine leicht höhere Verletzlichkeit für Mehrfamilienhäuser und eine deutlich tiefere für kommerziell genutzte Gebäude.
Die Schadensimulationen mit den verschiedenen Verletzlichkeitsfunktionen ergaben im untersuchten Perimeter folgendes grobes Bild: Mit EconoMe entstehen die höchsten Schäden, mit der in der Studie des Mobiliar Labs entwickelten Verletzlichkeitsfunktion traten die zweithöchsten Schäden auf, mit der regionsspezifischen die dritthöchsten und mit dem Mittel aus den ausgewählten Literatur-Verletzlichkeitsfunktionen ergaben sich die tiefsten Schäden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Heuristiken wie die hier angewandte eine wertvolle Alternative zur Entwicklung von Hochwasserschadenmodellen in Regionen ohne oder mit nur wenig verfügbaren Daten über Hochwasserschäden sein können. Die Studie ist unter diesem Link kostenlos einsehbar.